Neue Große Bergstraße in Altona: Hätte, hätte, Ladenkette

Neue Geschäfte, neues Straßenpflaster – und doch irgendwie alles gleich und austauschbar. Folgender Text kann Spuren von Mäkeligkeit und Jammern auf hohem Niveau enthalten. Und ist bitte nicht allzu ernst zu nehmen. 😉

Vor ein paar Jahren noch war die Neue Große Bergstraße so etwas wie Ödland. Als ob da jeden Moment Tumbleweed aus den guten alten Western vorbeiwehen könnte: Alles war ein wenig abgefuckt, los war garantiert eh nix. Und dann kam der Ikea. Mitten rein nach Altona in eine Fußgängerzone, die eigentlich schon längst gestorben war. Durch die schwedischen Einheitsmöbel, die von den Einwohnern im Vorfeld übrigens schwerst bekämpft wurden, gab es in der Neuen Großen Bergstraße also wieder so etwas wie einen zaghaften Herzschlag.

Nach und nach mauserte sich die Gegend. Zu alteingesessenen Ramschläden und Schuhgeschäften gesellten sich auf einmal große und bekannte Ketten wie Douglas oder Budni. Es folgten Bäckerketten, eine Schuhkette und sonstige Ketten. Dann gab es auf einmal auch mit Jim Block eine Alternative zum Mc Donald’s am Bahnhof. Zumindest wenn man Burger bevorzugt. Und natürlich wurden auch neue Wohnungen gebaut. Ist ja so schön praktisch: unten die Geschäfte, oben die Bewohner. Und dann, weil ja alles schick und neu und hochwertig ist, mal einen saftigen Mietpreis verlangen. Die Gegend wird ja aufgewertet. Und ja, ich wohne tatsächlich in einer dieser Wohnungen. Und das sogar mit großer Freude, weil früher Ottensen mein Zuhause war – und das halt nicht so weit entfernt ist. Einfach nur auf die andere Seite vom Bahnhof gehen und schon ist man im individuellen Trubel.

Geschmacksmainstream made in Altona

Mich zieht es – vor allem kulinarisch – inzwischen immer häufiger rüber nach Ottensen, denn hier in der Neuen Großen Bergstraße hält immer mehr der Geschmacksmainstream Einzug. Begonnen hat das mit einem Vapiano. Ihr wisst schon: Pizza und Nudeln nach Baukastensystem, ordern, selbst abholen, in stylischer Atmosphäre futtern und zum Teil mehr dafür bezahlen, als beim urigen Italiener um die Ecke. Gut, wer’s mag. Mein Ding ist es halt nicht. Dann kam die Schanzenbäckerei, die sich nahtlos in die anderen Backketten wie Dat Backhus und Brot&Brötchen einzureihen wusste. Ich habe da bis jetzt einmal ein Stangenweißbrot gekauft. Für eine Party. Wir backen unsere Brötchen inzwischen meistens selbst. 😉

Anfang Februar kam ein weiterer Kulinariktempel dazu: Hookdogs. Also Hotdogs in edel. Mh. Können Hotdogs edel sein? Anscheinend schon, denn ich sehe fast täglich Nachbarn, die sich tütenweise das Zeugs in ihre Wohnungen karren. Ich bin da wohl Banause. Wenn ich schon Bock auf Junkfood habe, dann gehe ich einfach rüber zu Ikea. Ist günstiger, schmeckt herrlich pappig – und man bekommt auch ein Getränk dazu, dass man sogar nachfüllen kann. Fastfoodheaven! 😉

Wenn wir schon mal beim Thema Burger sind …

Wahrscheinlich bin ich aber eh ein schwieriges Klientel. Mein liebster Elbläufer kocht nämlich einfach zu gut. Und ja, wenn es mal ein Burger sein muss, dann macht er die auch selbst. Immer wieder eine Geschmacksexplosion! Jim Block habe ich also nicht nötig. Und auch nicht den Hackbaron, der im März in der Großen Bergstraße (also parallel zur Fußgängerzone) aufmachen wird. Dabei finde ich dessen Burger echt klasse – ebenso wie dessen Foodtrucks. Aber hey, die einzige Gelegenheit, bei der ich mir mal nen Burger kaufe, der nicht von meinem Elbläufer gebrutzelt wurde, ist nach einer ausgiebigen Feierer. Und dann ist es meistens so spät, dass weder Jim Block noch der Hackbaron noch geöffnet haben, und man dann doch auf den McDonald’s ausweichen muss. Eine Krux.

Wir haben hier also eine Fußgängerzone, die mit großem Neuschicktamtam wiederbelebt wurde. Damit auch der Rest passt, wird sie gerade neu gepflastert, damit auch der Rest der Wildwest-Ödnis verschwindet. Was bleibt, ist geschniegelter Mainstream. Da passt jetzt auch der neue Laden von Blume 2000 bestens ins Bild, der vor Kurzem eröffnet hat. Wobei es auch auf der anderen Seite vom Bahnhof einen Blume 2000 gibt. Aber hey, scheint sich ja wohl zu rentieren. Selbiges gilt in Sachen Schnellfutterei wohl auch für Subway. Denn es gibt jetzt nicht nur unten im Bahnhof einen Laden, sondern neuerdings auch in der Großen Bergstraße gegenüber vom Edeka. Wirklich erstaunlich.

Ich will hier trotzdem nicht mehr weg

Und so geht sie hin, die Individualität, die wahrscheinlich von Anfang an gar nicht gewollt wurde. Zum Glück gibt es in der Großen Bergstraße kulinarisch noch etwas Abwechslung zu finden: ob nun die Kleine Schwester, das Bergtags oder das Saltkråkan, diese kleinen Cafés sind schon liebevoll gemacht. Die beiden Letztgenannten sind mir persönlich auch ein wenig zu glatt, was aber an meiner inzwischen entwickelten Phobie in Sachen skandinavischer Einnrichtungseinheitsbrei liegen mag. Mit Ausnahme der Billy-Regale von Ikea. Meine Bücher lieben die. Das muss ich einfach akzeptieren und tolerant sein. Doch zurück zu Bergtags und Co.: diese Cafés gehören zu keiner Kette und sind damit per se gut. 😉 Wobei mein großer Liebling in Sachen Café da ganz eindeutig die Kleine Schwester ist – sehr leckeres Frühstück, sehr leckerer Mittagstisch und extrem leckerer Kuchen samt echt leckerem Kaffee – also ein Allesleckerladen. Die Krux ist nur, dass sie abends schließen. Also so zwischen 18 und 20 Uhr – je nachdem. Abends kann man dann eigentlich nur ins Klippkroog, das ständig überlaufen ist. Was soll ich sagen? Ich habe euch ja Jammern auf hohem Niveau versprochen.

Aber mal im Ernst jetzt: mich lassen diese ganzen Ketten und auch der skandinavische Einrichtungshype ziemlich kalt. Trotzdem wohne ich hier gerne. Weil es praktisch ist. Weil es zentral ist. Weil es trotz Baustelle vor der Nase entspannt ist. Weil die Elbe ganz nah dran ist. Und halt auch Ottensen und St. Pauli. Und da trolle ich mich halt sehr oft hin, wenn ich nicht nur wohnen, sondern halt mal leben will. 😉

18 Kommentare Gib deinen ab

  1. ich muss zugeben, von „krux“ hatte ich vorher noch nie gehört – gefällt mir, dieses wörtchen! 😀 wenn ich auf hohem niveau jammere, dann ist immer alles „belastend“ 😉 …hach, das muss manchmal einfach sein. und wenn es raus ist, macht man sich ne heiße schokolade (oder holt sich ein bierchen aus dem kühlschrank ;)) und alles ist wieder dufte. 🙂 ❤

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    1. Elbgängerin sagt:

      Wenn ich jammere, dann ist Krux tatsächlich eins meiner Lieblingswörter. Ich teile es gerne mit dir, wenn du mal Bedarf hast. 😉 Für ein schönes Bierchen ist es gerade noch etwas zu früh, aber ich stelle es für den Abend mal kalt (habe da noch was von der Kehrwieder Kreativbrauerei <3). In der Zwischenzeit mache ich mir einen Kakao. Wie von dir empfohlen! Beste Inspiration des Tages. Der Dank ist groß! 😀

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  2. …und der tag ist ja noch jung, wer weiß, was da noch alles kommen wird! 😀 gern geschehen, lass ihn dir schmecken! heute abend stoß ich in gedanken mit dir an 🙂

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  3. Christiane sagt:

    Ich war noch nicht mal in dem nicht mehr neuen IKEA, geschweige, dass ich die letzten Jahre auf die andere Seite des Altonaer Bahnhofs gekommen wäre (doch, zählt die Altonale?). Klingt so, als müsste ich mich dort mal wieder umsehen.
    Wenn es nicht mehr regnet. Vielleicht. 😉
    Liebe Grüße
    Christiane

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    1. Elbgängerin sagt:

      *lach* Ja, irgendwie bleibt man in Ottensen hängen und geht so gut wie gar nicht auf die andere Bahnhofsseite. War bei mir früher auch so. 😉 Aber die Bühnen der Altonale zählen trotzdem irgendwie als Besuch auf der anderen Seite. Kannste ja dieses Jahr als Anlass nehmen, um dich heimlich umzuschauen. Vielleicht. 😉
      Herzlich
      Nicole

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  4. inside ottensen sagt:

    1. Die Große Bergstraße war vor ihrer „Verwertung“ kein Ödland. Im Frappant hatte viele Menschen eine Heimat und es existierte ein reges soziales Miteinander. Ohne Leuchtreklame und Shopping.
    2. Warum relativiert du deinen Text mit der Bitte alles ‚“nicht allzu ernst zu nehmen“. Also was denn jetzt?

    Stadtentwicklung wie sie in der Großen Bergstraße vorgenommen wurde ist ein Irrweg. Shop or die.

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    1. Elbgängerin sagt:

      1. Klar, im Frappant und direkt drum rum, war soziokulturell immer was los, aber die Fußgängerzone war trotzdem Ödland im Vergleich zur Jetztsituation. Ahnungslos und kaufwillige Passanten sind in meinen Augen jetzt nicht per se schlecht. 😉
      2. Ich will noch nicht sterben, also muss ich wohl shoppen. Oder anders ausgedrückt: ich wohne hier, habe hier eine der teuren Wohnungen gemietet. Weil Ottensen noch teurer ist. Weil ich aber auch unbedingt wieder zurück nach Altona wollte. Mein Dilemma ist also, dass ich Teil dieses Prozesses bin, den ich kritisch betrachte. Und ja, das nagt an mir. Trotzdem ziehe ich nicht wieder weg.

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      1. inside ottensen sagt:

        Manche nennen es Ödland, andere nennen es Freiraum.

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      2. Elbgängerin sagt:

        Und wieder andere nennen es neuen Wohnraum. Eine Medaille hat manchmal mehr als nur zwei Seiten.

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      3. inside ottensen sagt:

        „Ahnungslos und kaufwillige Passanten“ sind überhaupt nicht das Problem. Auch nicht das Wohnraum entsteht. Es ist der Glauben und die Hilflosigkeit von Stadtentwicklern, dass durch Vermarktung und Einzug von Handelsketten die Bewohner profitieren würden. Mal ganz von der architektonischen Einfalt abgesehen. Du willst das kritisieren, aber am Ende dann doch nicht so ganz.

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      4. Elbgängerin sagt:

        Oh doch, das kritisiere ich durchaus. Denn ich als Anwohnerin kann nur sagen, dass ich von all den Geschäften hier tatsächlich nur Budni nutze. Aber in der Tat: ich mag nicht wirklich kritisieren, weil ich meiner Meinung nach als Neuanwohnerin Teil des Problems bin. Gut, ich konsumiere hier so gut wie nicht. Und trotzdem …. ich stelle mich doch nicht komplett moralisch gegen mich selbst. Deine Kritikpunkte indes sind für mich verständlich und nachvollziehbar.

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    2. Christian sagt:

      Liebes „Inside Ottensen“, da muss ich Dir leider widersprechen. Die Große Bergstraße war vor ihrer Veränderung ein fades, zugesifftes Drecksgestell. Die hilflosen Versuche der Stadt durch die Ansiedlung von ein paar Künstlern (Frappant, Nahbar, etc…) den Verfall und die miese Stadtentwicklungspolitik zu kaschieren, waren zwar nice-to-have (Ding Dong, Hafenklang Exil, Street Art auf’m Parkdeck…), haben aber nix bewegt. Man kann auch nicht erwarten, dass man mit ein bisschen Kultur einen Stadtteil retten kann. Die Idee, ein selbstverwaltetes Mehrgenerationen Stadtteilzentrum in den ehemaligen Räumen des Karstadts, Frappants oder an anderer Stelle hinzubauen, war leider eine Utopie – wann hat die Legion der Pfeffersäcke jemals ein solches Projekt ernsthaft in Angriff genommen. Was die Senatsvorsteher unter einem „Haus für alle“ verstehen, wissen wir ja nun. Auch wenn man IKEA-Gegner war, weiß man nun, wo sich Alte, Junge, Zugezogene, Dagebliebene, Leute mit und ohne Migrationshintergrund, Schüler und mehr treffen – im Restaurant des Schweden. Ich als jemand, der seit 1971 in der Altstadt wohnt, betrachte das nicht als Idealfall und finde die „Verkettisierung“, wie sie die Elbgängerin beschreibt, auch nicht als wünschenswert; sie ist jedoch allemal besser als die Zeit, die wir seit Ende der 90er in der Bergstraße erleben mussten. By the way: die Jungs und Mädels vom Frappant realisieren weiterhin ein höchst lobenswertes, reges und soziales Miteinnander. In der Viktoria-Kaserne, einer der geilsten architektonischen Schnitten, die man sich überhaupt im Viertel reißen konnte. Ich hab‘ noch von keiner einzigen Träne gehört, die dort dem Asbestbunker in der Bergstraße hinterhergeweint wird.

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  5. Photo-Art by ThomasWoischnig sagt:

    Ich sehe nur LEIDER immer mehr Menschen die immer mehr Geld haben wollen und bei Vapiano essen gehen nö nicht nochmal

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    1. Elbgängerin sagt:

      Ich war da noch nie drin, um ehrlich zu sein. Habe mir nur mal online die Speisekarte angeschaut. Und bin danach zum kleinen Stammitaliener ein paar hundert Meter weiter gegangen. Der ist nicht nur leckerer, weil authentischer, sondern auch noch preiswerter. Kapiere einfach nicht, wie man da so ner Kette den Vorzug geben kann. Nicht meine Welt.

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      1. Photo-Art by ThomasWoischnig sagt:

        Meine auch nicht aber die rein gehen meinen Sie wären wer

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  6. Liebe Elbgängerin,
    Ich
    gebe dir völlig Recht, ich lebe jetzt schon einige Jahre in Altona, als alteingesessene Anwohnerin ist es manchmal doch suspekt, durch sein altes Viertel zu laufen und diese ganzen Ketten direkt vor der Haustür zu haben.

    Irritiert hat mich der nagelneue Subways, fehlt nur noch H&M

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    1. Elbgängerin sagt:

      Ja, der Subway hat mich auch etwas umgehauen. So ein schöner Eckladen. Und dann das! Na ja, die Zeit wird zeigen, ob sich die Kettenkonformität tatsächlich durchsetzt. Ich für meinen Teil werde sie weiterhin meiden und fleißig in der Kleinen Schwester Kaffee trinken gehen… Herzlich, Nicole

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      1. Ich gehe auch gerne zur kleinen Schwester

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