Deutscher Musical Theater Preis erstmals im Schmidts Tivoli verliehen

Vom besten Musical bis zur besten Choreografie: Am 1. Oktober wurde zum fünften Mal der Deutsche Musical Theater Preis in vierzehn unterschiedlichen Kategorien vergeben. Die Preisgala fand erstmals in Hamburg statt – im Schmidts Tivoli auf der Reeperbahn, um genau zu sein.

Deutscher Musical Theater Preis 2018, Schmidts Tivoli, Hamburg
Lukas Nimscheck und Franziska während ihrer Dankesrede © Morris Mac Matzen/Schmidts Tivoli

Preisverleihungen schwanken ja immer zwischen glamourös und nervig. Glamourös, weil halt die Besten der Besten einer bestimmten Branche zusammenkommen, um dann gemeinsam den jeweils Allerbesten zu küren und zu feiern. Das hat schon was. Nervig, weil es nicht ausbleibt, dass sich eine Branche immer ausschließlich selbst bejubelt – und nur allzu oft dann auch etwas übertrieben beweihräuchert. Letzteres blieb bei der gestrigen Verleihung des Deutschen Musical Theater Preises 2018 zum Glück größtenteils aus. Zwar brachte Jens Ochmann, erster Vorsitzender der Deutschen Musical Akademie, die den Preis jetzt im fünften Jahr vergeben hat, etwas sehr pathetisch und energisch dar, dass Musical ja nicht nur Unterhaltung, sondern vor allem Kultur sei. Wobei diese Vehemenz nicht nur sehr dem Stellenwertaufpolierens des Musicals an sich galt, sondern dem Wunsch nach staatlicher Finanzförderung für diese Bühnensparte. Eine verständliche Bitte, die etwas ungeschickt verpackt wurde.

Zum Glück ging es den Rest des Abends dann aber etwas lockerer zu. Und manchmal auch bissiger. Was nicht zuletzt der extrem unterhaltsamen Moderation von Ole Lehmann geschuldet war, der im Guten wie im Schlechten kein Blatt vor den Mund nahm. Das obligatorische Stage-Entertainment-Bashing gehörte ebenso dazu, wie der ein oder andere Seitenhieb gegen die Branche selbst. Wobei ich ihm da immer nur aus vollem Herzen zustimmen konnte. Details folgen später. 😉 Kommen wir erst einmal zu den Grundlagen des Preises.

Deutscher Musical Theater Preis 2018, Schmidts Tivoli, Hamburg
Janne Marie Peters wurde als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet © Morris Mac Matzen/Schmidts Tivoli

Deutscher Musical Theater Preis 2018: Auswahlverfahren

Für alle, die sich fragen, wie der Deutsche Musical Theater Preis so zustande kommt und was da überhaupt ausgezeichnet wird: Alle originär deutschsprachigen Produktionen der Spielzeit 2017/2018 konnten sich bewerben. Das waren dann dieses Mal über 30 Shows, wobei erstmals auch ein Preis für das beste Revival vergeben wurde – auch diese Bewerbungen flossen ein. Eine sechsköpfige Jury von der Deutschen Musical Akademie wählte für die unterschiedlichen Kategorien die Nominierten aus. Anschließend durften alle Akademie-Mitglieder geheim abstimmen. Das Ergebnis zählte zu 50 Prozent – die andere Hälfte kam dann erneut von der Jury. Dieses Prozedere zu erklären, finde ich recht wichtig, denn hier treffen reine Fachentscheidungen und Publikumsmassengeschmack aufeinander. Meiner Meinung nach eine ideale Sache, ist Musical doch schließlich selbst auch eine Mischung aus Kunst und Kommerz.

Abräumer des Abends war das Fugger-Musical „Herz aus Gold“ vom Theater Augsburg, das in drei Kategorien einen Award erhielt. Zum einen wurde es für seine Kostüme und Maskenbild ausgezeichnet, zum anderen sahnte Stephan Kanyar gleich doppelt ab – nämlich für die Komposition sowie für das Arrangement seiner Musik. Ich persönlich habe mich sehr gefreut, dass die Schmidt-Eigenproduktion „Jana & Janis“, zu der ich euch hier auf dem Blog schon einmal vollgeschwärmt habe, mit zwei Auszeichnungen geehrt wurde. Hier erhielten Franziska Kuropka und Lukas Nimscheck für ihre Liedtexte und Janne Marie Peters als beste Hauptdarstellerin einen Preis. In dieser Kategorie war übrigens auch Musical-Legende Pia Douwes nominiert. Dass sie nicht gewann, lag nahe. Schließlich wurde ihr gestern der Ehrenpreis der Deutschen Musical Akademie verliehen – nach einer wundervoll anrührenden Laudatio von Dr. Michael Kunze, der dank seiner Texte für „Elisabeth“ und „Mozart!“ und und und ja ebenso zu meinen persönlichen Musicalhelden gehört wie Friedrich Kurz, der „Cats“, „Starlight Express“ und „Das Phantom der Oper“ nach Deutschland brachte und damit den bis heute andauernden Musical-Boom auslöste. Und der gestern auch anwesend war.

Zwei Musical-Legenden unter sich: Dr. Michael Kunze und Pia Douwes © Morris Mac Matzen/Schmidts Tivoli

Kommen wir zur Königsklasse

Keine Bange, ich schwall euch jetzt nicht mit den Namen aller Gewinner voll, die ihr, wenn ihr euch nicht intensiv für die Musical-Branche interessiert, eh nicht kennen werdet. Um ehrlich zu sein, kannte ich einige vorher auch nicht. Zum Beispiel den Regisseur Werner Bauer, der als bester selbiger für seine Inszenierung von „Erwin Kannes“ am Theater für Niedersachsen Hildesheim ausgezeichnet wurde. Das Musical wurde dann übrigens noch „Bestes Revival“. Und auch Florian Stanek, der bester Hauptdarsteller für seinen „Gestiefelten Kater“ wurde, sagte mir vorher nichts. Gut, er wird mir auch zukünftig nichts sagen. Zwar kenne ich das Musical nicht, aber Stanek war mit einem Ausschnitt aus dem Stück in einem der unzähligen Showacts zu sehen, die den Abend auflockerten. Stimmlich solide konnte er mich mit seiner eher laschen Bühnenpräsenz leider so gar nicht überzeugen. Sorry.

Für gleich sieben Kategorien nominiert war das Musical „Fack ju Göhte“. Jepp, die Filmadaption, die bis vor kurzem in München lief. Zuverlässig ging die Produktion von Kategorie zu Kategorie leer aus. Verwunderlich war das nicht, denn schließlich wurde die Show von der Stage Entertainment produziert, die dem kleinen, individuellem Musical mit ihrer übertrieben-verkommerzialisierten Bühnenplastikperfektion (Ausnahmen bestätigen die Regel, sind dann aber auch schnell weg vom Fenster, wie man etwa an „Kinky Boots“ sehen konnte) an sich als traditionelles Feindbild gilt. Als aber immer weniger Kategorien übrig blieben, um „Fack ju Göhte“ wenigstens einen kleinen Trostpreis zu geben, ahnte ich Böses. Und das traf dann auch ein. Denn seit gestern Abend ist „Fack ju Göhte“ das beste Musical in Deutschland. Weil es doch so toll neue Wege geht, so einzigartig, so neuartig ist. Äh. Nein. Schon wieder sorry.

Deutscher Musical Theater Preis 2018, Schmidts Tivoli, Hamburg
Die Cast von „Fack ju Göhte“ freute sich tierisch über die Aufzeichnung © Morris Mac Matzen/Schmidts Tivoli

Warum mir „Fack ju Göhte“ trotz großer Begeisterung Bauchschmerzen bereitet

Ja doch, Story und Musik sind echt gut. Auch die Darsteller von „Fack ju Göhte“ sind toll. Eine fantastische Cast, keine Frage. Aber letztlich setzt hier die Stage Entertainment auf ihr altbewährtes Prinzip, Filme zu vermusicaln. So wie auch schon bei „Sister Act“, „Rocky“ oder „Ghost“. Oder ab Frühjahr eben „Die fabelhafte Welt der Amélie“ in München. Neu oder gar innovativ ist das nicht. Das trifft dann schon eher auf die Musik zu, die mit Hip-Hop und Co. gespickt ist. Zumindest in Deutschland ist das neu. Abgeguckt ist es aber letztlich vom Musical „Hamilton“, das am Broadway Triumphe feierte und derzeit auch in London – trotz der uramerikanischen Geschichte rund um den Gründervater Alexander Hamilton – euphorisch umjubelt wird. Wenn man jetzt bedenkt, dass Stage Entertainment „Hamilton“ derzeit ins Deutsche und Niederländische übersetzen lässt, wird man den Verdacht nicht los, dass „Fack ju Göhte“ der Produktionsfirma lediglich als Lackmustest dient, um herauszufinden, ob eine derart zeitgenössische Musical-Musik vom deutschen Publikum überhaupt angenommen wird. So ganz alleine bin ich mit diesem Verdacht übrigens nicht, denn auch Ole Lehmann feuerte eine Witzspitze in genau diese Richtung ab. Daaaaaaanke dafür!

Die Wahl als bestes Musical stieß mir aber noch aus einem anderen Grund etwas bitter auf. Denn den gesamten Abend über wurden die kleinen, die originären Musicals hochgehalten. Schmidt-Hausherr Corny Littmann war nicht der einzige, der die Intendanten der Republik dazu aufforderte, mal mutiger zu sein und neue Musicals in Auftrag zu geben und uraufzuführen. Talentierte Komponisten*innen gäbe es hierzulande schließlich genug. Immer wieder hob man sich von den großen Produktionen ab, betonte, wie wichtig die künstlerische Individualität im Kleinen sei. Nur um dann in der Königsklasse eine Show des Musicalgiganten auszuzeichnen. Aber hey, die Mehrheit hat so entschieden. Das muss man nicht nur so akzeptieren, da kann man auch mal drüber nachdenken, wenn man gerade wieder dabei ist, die deutsche Musicallandschaft zu analysieren. Und mein Ansatz ist da eh eher intellektuell aus der Prinzipienreitersicht. Denn an sich finde ich ja „Fack ju Göhte“ als Musical auch bedingungslos klasse und fand es auch jammerschade, dass es nach der absoluten Mindestlaufzeit von Stage Entertainment abgesetzt wurde, weil die Zuschauer ausblieben. Musicalpolitisch hätte ich mir einfach ein anderes Ergebnis gewünscht. Da war ich erst ein wenig maulig, gönne „Fack ju Göhte“ die Auszeichnung inzwischen aber natürlich von Herzen. Rein künstlerisch hat die Produktionsfirma da ja wohl nicht reingeredet. Und bei dem Preis geht es nun mal nicht um Musicalpolitik, sondern um die Kunst an sich. Also ist der Award wirklich verdient.

Deutscher Musical Theater Preis 2018, Schmidts Tivoli, Hamburg
Will, dass der Deutsche Musical Theater Preis auch 2019 wieder im Schmidts Tivoli vergeben wird: Corny Littmann © Morris Mac Matzen/Schmidts Tivoli

Deutscher Musical Theater Preis 2018: Was sonst noch so geschah

Huch, jetzt habe ich euch schon mächtig zugetextet mit dem Deutschen Musical Theater Preis 2018. Dabei habe ich ja noch gar nicht die 50/50-Initiative erwähnt, die dafür sorgen soll, dass in den nächsten Jahren Frauen und Männer zu gleichen Teilen nominiert werden. Eine Komponistin suchte man dieses Jahr etwa vergeblich – schlichtweg, weil es da keine Bewerbung gab. Auch in diesem Fall hatte Moderator Ole Lehmann eine charmante Spitze parat. Bei seiner Abmoderation schlug er nämlich vor, nächstes Jahr einfach mal zuerst die Darsteller und erst dann die Darstellerinnen zu ehren. Und nicht wie üblich umgekehrt. Wäre ja auch schon mal ein Anfang, um die Leistung von Frauen hochzuhalten. Wie wahr!

Apropos nächstes Jahr … da kann es sein, dass der Deutsche Musical Theater Preis erneut im Schmidts Tivoli verliehen wird. Zum einen, weil Corny Littmann direkt auf der Bühne eine Einladung aussprach, da Hamburg nun mal die deutsche Musicalmetropole schlechthin ist und der Preis ergo hier einfach hergehört. Zum anderen machte er aber auch deutlich, dass so eine Preisverleihung immer ein Minusgeschäft sei. Sollte sich die Deutsche Musical Akademie dazu entschließen, die Preisverleihung noch einmal im Tivoli abzuhalten, würde selbiges gerne die Differenz übernehmen. So kann man sich eine Veranstaltung natürlich auch sichern. 😉

Bildnachweis Titelfoto: © Morris Mac Matzen/Schmidts Tivoli

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