Opera on Tap in der Mathilde Bar

Oper und Bar. Passt das zusammen? Und wie! Zumindest, wenn es Opera on Tap geht.

Klassische Musik oder gar Oper ist ja nun wirklich nicht jedermanns Sache. Schmachtende Themen, schrille Töne, komische Kostüme – und dann erst dieses bierernste Publikum, das sich meistens sehr wichtig und sehr gebildet und sehr elitär und dementsprechend sehr langweilig gibt. Ja, der Oper haften schon ein paar gewaltige Klischeebrocken an. Dass Oper aber auch frisch und kurzweilig sein und ganz viel Spaß machen kann, beweisen die beiden Sopranistinnen Sashell Beck und Corinne Schaefer, die das Konzept von Opera on Tap im vergangenen September nach Hamburg geholt haben.

Dank Corinne Schaefer und Sashell Beck gibt es Opera on Tap nun auch in Hamburg © Elbgängerin

Das Prinzip hinter Opera on Tap ist schnell erklärt: Ausgebildete Opernsänger singen in einer Bar oder Kneipe Arien. Ohne Zwang, aber mit ganz viel Professionalität und Spaß. Locker wird vorher über die jeweilige Arie geplaudert, damit man weiß, um was es geht. Und hinterher geht ein Hut rum, denn Eintritt wird nicht verlangt. Seinen Ursprung hat Opera on Tap in New York, wo die Veranstaltung 2005 das erste Mal stattfand. Seitdem sind in den USA über zwanzig Ortsverbände – so genannte Chapter – entstanden, die eigenständig ihre Abende organisieren, wobei die Chapter untereinander gut vernetzt sind.

Wie Opera on Tap nach Hamburg kam

Sashell Beck stand bereits bei Opera on Tap in Los Angeles auf der Kneipenbühne und war dann später auch in Berlin singender Gast. Da sie die Idee total begeisterte, wollte sie das Konzept auch in Hamburg umsetzen. Gesagt, getan. In einem Szeneviertel sollte Opera on Tap Hamburg stattfinden. Wo man halt ein aufgeschlossenes Publikum findet, das beim Thema Klassik nicht gleich kreischend wegrennt. Mit der Mathilde Bar in Ottensen stand dann recht schnell eine wirklich passende Location fest.

Sashell Beck mit Spendenhut. © Elbgängerin

Sashell und Corinne holen sich für jede Veranstaltung ein paar Gäste mit ins Boot und geben jedem Abend ein Motto. Vergangenen Mittwoch war „Opera meets Broadway“ das Thema – und die eingeladenen Gastsänger passten dazu wie die Arsch auf Eimer. Denn neben dem niederländischen Bariton Timotheus Maas und dem amerikanischen Tenor Justin Moore trat auch dessen Frau Rachel Anne Moore auf, die in Hamburg beim „Phantom der Oper“ nicht nur die Carlotta, sondern in „Liebe stirbt nie“ (ihr wisst schon, dass zweite Phantom-Musical von Webber) die Christine sang. Das klingt schon so ein bisschen wie Starbesetzung.

Die Tücken der Phantom-Rolle

Nach einem kurzen Keyboard-Intro ging es für die fünf Sänger dann auch direkt los, die zuerst mit älteren und unbekannteren Musical-Songs brillierten, bevor dann viele große Schmachtnummern kamen. Justin Moore, der sich mit „Music of the Night“ und „’Til I hear you sing“ aus den beiden Phantom-Musicals von Webber nun echt harte Brocken ausgesucht hat, konnte mich leider nicht ganz so überzeugen. Seine Stimme ist zwar wunderschön und in der Höhe ebenso kraftvoll wie brillant, aber generell hat mir da ein wenig mehr Gefühl gefehlt. Und auch sein dramaturgisches Konzept in Sachen Interpretation habe ich nicht so ganz kapiert (die paar Textunsicherheiten, die er hatte, waren meiner Meinung nach indes verzeihlich).

Im krassen Gegensatz dazu brillierte seine Frau Rachel Anne Moore natürlich in ihrer Christine-Paraderolle mit dem Song „Love Never Dies“, mit dessen Interpretation sie mich aber schon vor zwei Jahren im Operettenhaus umgehauen hat, als ich mir dort „Liebe stirbt nie“ angeschaut habe (und mächtig von den Änderungen für die deutsche Produktion enttäuscht war, aber das ist dann echt mal eine andere Geschichte).

Timotheus Maas in Aktion © Elbgängerin

Gänsehautmomente in der Mathilde Bar

Besonders angetan war ich von Timotheus Maas, dessen samtig warmer Bariton mir ständig unter die Haut und ins Gemüt krabbelte. Na ja, und seine Interpretation von „If I were a rich man“ aus „Anatevka“ war einfach nur goldig und höchst amüsant. Wobei mir auch die beiden Gastgeberinnen Sashell Beck und Corinne Schaefer ausgesprochen gut gefallen haben. Beide haben vor Energie nur so gesprüht. Und dann diese glasklaren Höhen! Da gab es für mich einige Gänsehautmomente! Noch beeindruckter war ich, als ich erfahren habe, dass es gerade mal eine gemeinsame Probe gab – nämlich genau eine Stunde vor der Aufführung. Profis halt. 😉

Opernarien standen am vergangenen Mittwoch nicht ganz so auf dem Programm. Umso gespannter bin ich auf die nächste Veranstaltung, bei der es dann wieder ganz klassisch zugehen soll. Dann wird das Thema übrigens „Weltreise“ sein. Wenn ihr euch auch mal davon überzeugen möchtet, dass Oper eigentlich ganz unterhaltsam sein kann, dann kommt doch auch einfach mal vorbei. Ab Juli findet Opera on Tap an jedem vierten Donnerstag im Monat um 20:15 Uhr in der Mathilde Bar in Ottensen statt.

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